WIE ALLES BEGANN

WIE ALLES BEGANN

«Ein Licht, das von innen leuchtet, kann niemand löschen.»
(aus Kuba)
Lesen Sie, wie ein kleines Mädchen eine grosse Idee angestossen hat.


Nuru, zwei Monate vor ihrem Tod (2012)

Mit der kleinen Nuru fing alles an. Als drei Monate altes Baby wurde sie ins Waisenhaus gebracht, wo ich 2012 ein Praktikum absolvierte. Die Mutter hatte die Geburt nicht überlebt. Man fand das neugeborene Mädchen neben ihrer toten Mutter in einer ärmlichen Wohnung in Daressalam. Vom Vater fehlte jede Spur. Nuru war mit Abstand das jüngste Kind in diesem Waisenhaus. Sie zog alle anderen Kinder in ihren Bann. Es gab kaum jemanden, der sich nicht sofort in ihre dunklen Kugelaugen und in ihr unschuldiges Lächeln verliebte. Nuru war eine kleine Sonne in diesem lärmigen, manchmal auch trostlosen Kinderheim. Das passte gut zu ihrem Namen, der Licht bedeutet.

 

Als ich einmal nach einem freien Wochenende wieder ins Heim kam, lag die kleine Nuru weinend und schmerzverzerrt in ihrem Bettchen. Ich nahm sie in den Arm und sah, dass Eiter aus ihren Ohren trat. Nuru litt an einer Mittelohrentzündung, die unbehandelt wahrscheinlich zu ihrem Tod geführt hätte. Und dass bis jetzt niemand an eine Behandlung gedacht hatte, war leider nur zu offensichtlich. Deshalb hüllte ich Nuru, ohne die Einwilligung des lethargischen Heimleiters abzuwarten, in eine Decke und fuhr sie mit einem Taxi ins Spital. Auch für den untersuchenden Arzt hing Nurus Leben zu diesem Zeitpunkt an einem dünnen Faden. Dank sofortiger medikamentöser Behandlung verbesserte sich ihr Gesundheitszustand aber schnell und nach etwa drei Wochen war sie schon wieder putzmunter

 

Zwischen Nuru und mir entwickelte sich eine tiefe Beziehung. Ich fühlte mich verantwortlich für sie, ich wollte alles dafür tun, dass es Nuru gut ging. Im Geburtsspital hatte ich nur zu oft erlebt, wie der Tod kleine Kinder holte, die ihm nach meinem Gefühl einfach nicht zustanden. Dieses traurige Schicksal wollte ich Nuru um alles in der Welt ersparen.

 


An diesem Strand haben Nuru und ich oft eine gemeinsame Auszeit vom lauten und hektischen Kinderheimalltag genommen

Als sich mein Praktikum einige Wochen später seinem Ende zuneigte, hinterliess ich meine Handynummer mit der Bitte, mich sofort zu benachrichtigen, falls Nuru wieder einmal medizinische Hilfe benötigen sollte, ich sei bereit, für sämtliche Kosten aufzukommen. Am 24. Dezember 2012 erreichte mich die Nachricht, Nuru sei an Malaria gestorben. Klägliche sechs Monate war es der kleinen Lichtspenderin vergönnt, auf diesem eigenartigen Planeten zu leben. Und was für dramatische Momente sich in diese lächerlich kurze Zeitspanne drängten: der Verlust von Mutter und Vater, die Einlieferung in ein tristes Waisenhaus, eine lebensbedrohende und schliesslich eine tödliche Krankheit! Was erwartete dieses Schicksal für eine Antwort von mir?

 

Nach Wochen der Niedergeschlagenheit wusste ich es: Die Antwort war die Stiftung NURU. Wenn es eine Möglichkeit gab, das Licht, das dieses Mädchen in die Welt gebracht hatte, nicht ganz verlöschen zu lassen, dann musste dieses Licht durch andere Menschen in ihrem Namen und an ihrem Ort weiter leuchten.

 

Deshalb habe ich im Jahre 2014 die Stiftung NURU gegründet: Es ist mein Herzensanliegen, dass Kinder und Mütter leben, unter welchem Himmel sie auch immer geboren werden. Es ist mein Herzensanliegen, dass Mütter in Würde gebären dürfen, dass ihnen das Recht auf eine würdevolle Schwangerschaft, Geburt und Wochenbettzeit zusteht.

 

 

Ich danke Ihnen von Herzen für Ihr Interesse an unserer Stiftung.

 

Milena Kavishe Schaller

Stiftungsgründerin & Vizepräsidentin

Stiftung NURU

 

P.S. Auf meinem Arbeitstisch steht das Bild der kleinen Nuru. Sie ist und bleibt in allem, was ich tue, mein Talisman, meine Glücksbringerin. Immer noch verspüre ich einen leisen Schmerz, wenn ich sie sehe und an sie denke. Aber hin und wieder, wenn sie mir mit ihren schwarzen Kugelaugen zulächelt, kommt es mir so vor, als habe alles seine Bedeutung und seine Richtigkeit in der Welt.